
Im Tun
Richterin Nicole Asmus
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von Sabine Fuchs
Sie ist 27 Jahre jung, als sie 2019 zur Richterin vereidigt wird. Neben dieser verantwortungsvollen Tätigkeit, engagiert sie sich als Gründungspräsidentin des Ladies‘ Circle 85 Amberg – einem Serviceverein, der sich für soziale und karitative Zwecke einsetzt. Ein Gespräch über Karriere, Selbstverwirklichung und den Mut, mit dem Herzen zu sehen.

Richterin Nicole Asmus | Foto: Stefanie Zoll
Was hat Sie dazu motiviert, die verantwortungsvolle Tätigkeit als Richterin anzustreben?
Ich wollte mit Menschen arbeiten und einfach einer Tätigkeit nachgehen, durch die ich für andere etwas bewirken kann, die Bedeutung hat und Orientierung gibt. Für mich war es keine monetär orientierte Entscheidung. Wichtig in diesem Beruf ist es, dass man mit Verantwortung zuhört, versteht und hilft. Man muss hinter jedem einzelnen Fall den Menschen und seine Geschichte erkennen. Und die wenigsten landen ja einfach so vor Gericht. Wichtig ist, dass man alles, wirklich alles aufnimmt, was der Mensch an Geschichte mitbringt, und aufmerksam zuhört.
Wie erleben Sie die Rolle der Frau in der Justiz?
Ich würde sagen, das hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Frauen sind immer mehr auf dem Vormarsch. Nicht zuletzt findet man als Frau einen planbaren, sicheren Arbeitsplatz in der Justiz. Man kann relativ bedenkenlos seiner Familienplanung folgen, ohne Angst haben zu müssen, seinen Job zu verlieren. Männer entscheiden sich, zumindestens in juristischen Berufen wie der Anwaltschaft, häufiger für die klassische Karriere. Der Anwaltsberuf ist oft unternehmerisch geprägt: höheres Risiko, aber auch höhere Verdienstchancen. Vergleicht man die Situation vor ein paar Jahrzehnten, ist es ein riesiger Fortschritt, dass zahlenmäßig nun so viele Frauen in der Justiz vertreten sind. Und davon profitiert unsere Gesellschaft enorm.
Haben Sie das Ziel, Richterin werden zu wollen, jemals in Frage gestellt?
Der Wunsch, Richterin werden zu wollen, entwickelte sich erst im Laufe des Jurastudiums. Von da an wusste ich, dass ich zur Justiz gehen möchte. Man zweifelt sicher manchmal, denn es sind so viele Prüfungen, die man abzulegen hat. Man sieht auch Kommilitonen aufgeben – entweder freiwillig, weil sie merken, dass Jura nicht das Richtige für sie ist, oder weil sie schlussendlich die Prüfungen nicht bestehen.
Was raten Sie jungen Frauen, die Richterin werden möchten?
Ausdauernd zu sein. Es ist schon ein langer Weg durch das Studium und das anschließende Referendariat. Aber wenn man davon überzeugt ist, dann ist es das auf jeden Fall wert. Sind Karriere und Selbstverwirklichung das Gleiche für Sie? Nein. Ich glaube, heute hat man neben den beruflichen Zielen noch so viele andere Herausforderungen – vor allem als Frau und Mutter. Es gehört weit mehr dazu, um glücklich zu sein und den Spagat aus Beruf, Gesellschaft und Familie mit der eigenen Lebensrealität zu vereinen.
Welche Werte und Überzeugungen sind Ihnen im Zusammenhang mit Selbstverwirklichung besonders wichtig?
Sich selbst treu zu bleiben in dem, was man möchte, und sich nicht zu sehr von anderen Meinungen leiten zu lassen.
Neben Ihrem Beruf engagieren Sie sich ehrenamtlich im Verein Ladies‘ Circle 85 Amberg. Womit genau beschäftigt sich der Verein?
Wir sind ein Service-Club aus jungen Frauen, der sowohl überregional, als auch weltweit verbindet, und organisieren soziale Projekte. Mit dem Erlös unterstützen wir regionale Institutionen in Amberg und dem Landkreis. Alle drei Wochen treffen wir uns, um gemeinsam Projekte anzupacken – und versuchen so Freundschaft mit gesellschaftlichem Engagement zu verbinden.
Was hat Sie dazu gebracht, neben der anspruchsvollen Tätigkeit als Richterin zusätzlich ein Ehrenamt anzunehmen?
Für mich ist das Ehrenamt mehr als nur zu einem „Hobby“ geworden. Gerade als junge Frau und Mutter weiß ich, wie knapp oft die Zeit ist. Aber man bekommt auch so viel Kraft zurück, wenn man sich für andere einsetzt. Da man so viele Frauen unterschiedlichster Hintergründe kennenlernt, wurde es zu einem Raum voller Inspiration, gegenseitiger Unterstützung und gelebter Solidarität. Wir besprechen hier auch unsere täglichen Herausforderungen und Probleme auf Augenhöhe. Wir sind dort mit der Zeit zu Freunden geworden und so trifft man sich ja auch gerne.
Welche Funktion erfüllen Sie im Verein?
Aktuell bin ich Schriftführerin. Wir wählen jedes Jahr ein neues Präsidium und versuchen immer ein bisschen durchzutauschen.
Hat Ihr ehrenamtliches Engagement den Blick auf die Gesellschaft verwandelt?
Ja, auf jeden Fall. Man lebt ja immer in seiner eigenen Blase und hat nicht mit allen Schichten unserer Gesellschaft Kontakt. Allein während der Spendenübergaben lernt man viele Leute kennen. Wir waren letztens in einem Kinderhaus. Einer Einrichtung, die sich um schwerstpflegebedürftige Kinder kümmert. Man erkennt einfach, wie viele Probleme es in der Gesellschaft gibt, die man überhaupt nicht vor Augen hat. Es ist jedes Mal eine Freude zu erleben, wie herzlich wir empfangen werden und wie sehr man sich über unseren tatkräftigen Einsatz oder eine Geldspende freut.
Gibt es einen Gewinn, den Sie für sich selbst daraus ziehen?
Durch den Austausch mit den anderen Frauen wächst man. Man wächst sowohl daran, dass man Verantwortung übernimmt, als auch daran, etwas Gutes zu tun. Gleichzeitig sieht man, dass das eigene Handeln jemandem hilft und Freude bereitet.
Welche Fähigkeiten oder Eigenschaften braucht es aus Ihrer Sicht, um im Verein wirklich wirksam sein zu können?
Ich würde mir auch wünschen, dass mehr junge Frauen sich trauen, ihren Weg selbstbewusst zu gehen, im Beruf und im Ehrenamt. Wir müssen nicht perfekt sein, um etwas zu bewirken. Es reicht, wenn wir anfangen – und es gemeinsam tun.
Zielstrebig
Immer mehr Frauen definieren Karriere nicht nur über Aufstieg, sondern über Sinn, Selbstbestimmung und Vereinbarkeit. Laut Statistischem Bundesamt liegt der Frauenanteil in Führungspositionen bei circa 30 Prozent. Gleichzeitig sind zunehmend mehr Frauen in sogenannten Elite-Berufen tätig: Rund die Hälfte der deutschen Berufsrichter und Ärzte sind weiblich. Allgemein steigt die Anzahl der Frauen, die nicht nur beruflich Verantwortung tragen, sondern sich auch ehrenamtlich engagieren. Selbstverwirklichung bedeutet für viele von ihnen nicht nur beruflichen Erfolg, sondern auch, aktiv zur Gesellschaft beizutragen.