
Agnes Christine Fischer
Attraktiv. Durchtrainiert. Diszipliniert und willensstark.
Lesezeit: 10 Min.

von Sabine Fuchs
Als Kind will sie Astronautin werden „um die Welt zu erkunden“. Heute reist sie als international gefragtes Model rund um den Globus. Als sie die Anfrage für dieses Interview erhält, läuft sie gerade einen Ultramarathon zwischen L.A. und Vegas.
„Laufen ist für mich sowas wie eine Moving Meditation“, erklärt sie mir im Gespräch die Faszination am Laufsport. Agnes Christine Fischer ist Model, Yogi, Influencerin und Runner. Auf Bildern wirkt sie unkompliziert, gut gelaunt und positiv wie der Sommer. Im Call ist sie das auch. Wer Model-Allüren erwartet, wird diese vermissen. Was diese Frau hingegen ausstrahlt, ist Begeisterung für das Leben. Was bedeutet also Glück für sie? Ist Glück eine bewusste Entscheidung oder einfach das Ergebnis äußerer Umstände? „Ich würde schon sagen, dass Glück eine Entscheidung ist, ja. Zum Teil eine Einstellungssache. Klar wirken äußere Umstände auf unser Leben ein, aber es kommt auch immer auf die eigene Haltung an und darauf, wie man seine Möglichkeiten nutzt. Auf meinen Reisen, auch durch Entwicklungsländer, habe ich viel Armut gesehen. Man erkennt, wie gut wir es dagegen doch haben. Und ich glaube, wenn man generell eine positive Einstellung zum Leben hat, dankbar ist und Dinge wertschätzt, fällt es leicht, glücklich zu sein. Du gehst spazieren und ein Fremder schenkt dir ein Lächeln oder jemand hält dir die Tür auf. Es sind oft kleine Gesten und Glücksmomente, die das Leben lebenswert machen.“ Agnes ist 18, als sie regelmäßig eine Landstraße im Landkreis Cham entlangjoggt. „Weil ich abnehmen wollte …“, schmunzelt sie heute darüber. Die junge Frau liebt die Natur, hält sich gerne draußen auf – und sprüht vor Spontanität und Abenteuerlust. Der kleine Ort in der Oberpfalz, in dem Agnes Christine Fischer aufwächst, ist zu klein für ihren Lebenshunger. Das Bedürfnis, die Welt zu sehen, ist größer. „Damals wollte ich raus aus diesem Dorf. Ich wollte reisen und etwas erleben“, erinnert sie sich. Ein Freund bringt sie auf die Idee, zu modeln. Ein hübsches Gesicht, der freche Kurzhaarschnitt (damals trägt sie ihr Haar blond) und ein unwiderstehliches Lächeln verschaffen ihr das erste Shooting. Ihr athletischer Körper und der gesunde, frische Look kommen bei den Agenturen an. Ihr Typ ist gefragt. „Irgendwie entstand die Sache mit der Modelkarriere einfach aus Zufall. Aber für mich war Modeln das perfekte Sprungbrett, um ins Ausland zu gehen.“
Vom Dorfkind zum Pacemaker.
Agnes schwimmt sich frei vom Leben in dem kleinen bayerischen Ort, lebt ihren Traum vom Reisen. Bereits mit 20 pendelt sie zwischen Jobs in Mailand, Kapstadt, New York und London. Dem wunderschönen Model mit der Ausstrahlung, die zwischen „Frau zum Pferde stehlen“, hochdisziplinierter Sportlerin und Vamp changiert, stehen beruflich alle Türen offen. Privat bewegt sie sich in Kreisen von Rockstars und Hollywood-Schauspielern. Für Außenstehende führt Agnes ein Leben auf der Überholspur.

Foto: Kathrin Schafbauer
https://www.instagram.com/agichristine/
Geschwindigkeit als Statement.
Als Model lebt sie das Leben, von dem andere träumen. Aber vor der Kamera zu performen, ist ihr nicht genug. Im Sport sucht sie Extreme und fordert sich täglich neu heraus. Den ersten Halbmarathon läuft sie noch in Regensburg. Ihren ersten Ultramarathon meistert sie kurzentschlossen während eines Urlaubes in Kenia. „Die Teilnahme war nicht geplant, denn bis zu dem Zeitpunkt bin ich nie mehr gelaufen als einen Halbmarathon. Ich hatte eigentlich nicht genügend Zeit, um mich darauf vorzubereiten. Aber beim Klettern hat mir jemand von einem „Wettkampf“ erzählt, einem Ultramarathon durch die Masai Mara. Spontan meinte ich: „Hey, das hört sich mega-cool an, das mache ich!“ Im letzten Jahr begleitet sie einen Freund bei einem 400-km-Lauf durch die sengende Hitze der Atacama-Wüste. Woher nimmt sie die Kraft? „So genau weiß ich es selbst nicht“, grübelt sie kurz. „Ich pushe mich gerne selbst. Vielleicht um zu sehen, was machbar ist oder wie stark ich tatsächlich bin.“ Sie reflektiert kurz. „Es macht mir einfach Spaß! Würde mich heute jemand fragen ‚Hey, hast du Lust, nächste Woche mit in die Mongolei zu fliegen und dort zu laufen‘, würde ich ‚ja‘ sagen – 100 %! Ich bin eben so ein Abenteuermensch.“
2007 trifft sie auf eine neue Liebe: Kapstadt. Die multikulturelle Hauptstadt der Provinz Westkap bietet Sportenthusiasten eine riesige Bandbreite an naturnahen Aktivitäten, wie man sie sonst selten vorfindet. Ein mildes Klima und die atemberaubende Landschaft mit ihren traumhaften Stränden laden zum Surfen, Free-Climbing oder Biken ein. „Die Landschaft ist einfach der Wahnsinn“, schwärmt Agnes Christine Fischer. „Dort zu laufen ist für mich Me-Time in der Natur. Bis vor wenigen Jahren arbeitet Agnes Christine Fischer in Vollzeit als Model. Mit Covid kam der Change. Plötzliche Flugverbote verändern die Branche. „Ich habe angefangen Yoga zu unterrichten, um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren und nebenbei meine Social Media Channels ausgebaut.“ Dass dies wiederum der Startschuss für eine parallele Karriere als Fitness-Influencer werden würde? Auch eher zufällig und ungeplant. „Es hat sich irgendwie ganz natürlich entwickelt.“ Das durchtrainierte Model ist authentisch und als Sportlerin glaubwürdig. Bald werden die ersten Unternehmen aus der Sport-Branche auf sie aufmerksam und Aufträge namhafter Hersteller lassen nicht lange auf sich warten. „Ich nehme für große Labels an Rennen teil und poste Reels und Stories davon. Ich mache einfach das, was mir Spaß macht. Und Outdoor-Sport war schon immer mein Ding – ob nun in den Bergen oder sonst irgendwo.“ Sind die Jobs als Model Ausgleich zum Sport oder ist Sport der Ausgleich zum Modeln? „Weder noch. Es sind für mich zwei unterschiedliche Dinge. Ich modelle gern, und das finanziert, neben meinen Aktivitäten auf Social Media, den Großteil meines Lebensunterhaltes. Auch wenn ich es nicht mehr hauptberuflich mache, liebe ich die Arbeit vor der Kamera noch immer und werde inzwischen sogar überwiegend von Kunden aus der Sportbranche gebucht.“ Für Shootings und Rennen reist sie viel. Vor ein paar Tagen L.A., morgen Lausanne. Mehrmals im Jahr pendelt sie zwischen ihren Wohnsitzen in Zürich und Kapstadt, reist für Projekte um die Welt. Sind stabile Freundschaften überhaupt möglich? „Freundschaften sind mir sehr wichtig. Freundschaften, die aber auch bestehen bleiben, wenn man sich zwischendurch mal monatelang nicht sieht. Ich habe zum Beispiel enge Freunde in Zürich, die ich nicht sehen kann, wenn ich in Kapstadt oder sonst irgendwo arbeite. Aber wenn ich dann zurückkomme, ist es so, als wären wir nie getrennt gewesen. Auch wenn man dazwischen nicht oft telefoniert. Umgekehrt ist es mit meinen Freunden in Südafrika genauso. Meine besten Freunde sind für mich zur Familie geworden. Ein paar Stunden außerhalb Kapstadts gibt es eine Region namens Cederberg, wo wir manchmal die Wochenenden verbringen. Dort hat man nicht immer Mobilnetz und trifft auch selten auf Menschen. So 1:1 mit der Natur zu sein, abends am Lagerfeuer, das fasziniert mich schon sehr!“ Sie schmunzelt über ihre eigenen Worte: „Es ist komisch. Als Kind wollte ich immer weg vom Land, etwas erleben. Heute geht auch mal ein Wochenende offline.“
Der Moment, der alles verändert.
Vor sieben Jahren nimmt ihr ein tragischer Sportunfall mit einer schweren Knieverletzung beinahe ihre große Leidenschaft. „Mir wurde gesagt, dass ich nie wieder laufen werde“, beschreibt sie einen der einschneidendsten Momente ihres Lebens. Sie gibt nicht auf: Mit Sportgymnastik, Behandlungen, einem eisernen Willen und der Sehnsucht nach dem Sport kämpft sie sich zurück in die Laufschuhe und auf die Strecke. „Ich habe mir nichts mehr gewünscht, als wieder laufen zu können“, denkt sie an die herausfordernde Zeit zurück. „Wenn ich heute bei einem Run Momente habe, in denen ich die Lust daran verliere oder die Energie weniger wird, dann denke ich an den Augenblick zurück, als ich im Krankenhaus lag und hören musste: ‚Hey, das war‘s jetzt mit Joggen‘. Das pusht mich dann und mobilisiert neue Kräfte in mir.“ Rückschläge sind trotz des anhaltenden Erfolges kein Fremdwort für sie. „Doch, natürlich kenne auch ich Rückschläge. Nach meiner Knieverletzung musste ich sehr hart trainieren, um mich meinem alten Level wieder anzunähern. Und sind wir mal ehrlich: Auch wenn man versucht, sich keinen Druck zu machen … es nervt einen dann doch ein bisschen, wenn man nicht so schnell war wie gedacht und geschlagen wird bei einem Run. Rückschläge kennt jeder, der Sport betreibt – gerade Laufsportarten wie Trailrunning. Von Verletzungen kann ich ein Lied singen. In dem einen Moment fühlt man sich noch energiegeladen und in Bestform – dann verdreht man sich den Knöchel und hat über Monate hinweg Auszeit, bevor man wieder von Neuem beginnen muss zu trainieren. Aber das ist im Sport eben so. Auf der anderen Seite macht gerade das stärker – man lernt dazu, auch über den eigenen Körper. So manches Mal hätte ich wahrscheinlich eine Verletzung verhindern können, wenn ich mehr auf mich geachtet hätte. Auf ausreichend Schlaf zum Beispiel, damit sich der Körper vor einem Lauf regenerieren kann. Wenn man ständig nur pusht, pusht, pusht, sagt der Körper dann eben mal: ‚So, Zwangspause!‘“
Vom Nischensport zum Massenphänomen.
Marathons liegen aktuell sehr im Trend. „Ja, irgendwie läuft gerade jeder“, bestätigt sie und lacht: „Es ist wirklich schon normal geworden, einen Halbmarathon oder Marathon zu laufen. Das aber ist es, was mich am Laufsport ein bisschen stört: der Druck, der durch den Vergleich entsteht. In welcher Zeit bist du gelaufen? Was ist deine Pace? Man sollte sich keine zu hohen Ziele stecken und locker an die Sache herangehen – gerade am Anfang. A: ist der Weg das Ziel und B: Ob ich einen Marathon in 3 Stunden 30 laufe oder in 4 Stunden 30 – was soll´s? Ich bin einen Marathon gelaufen! Wenn man als Beginner langsam läuft, dann ist das eben so. Wenn man sich selbst zu sehr unter Druck setzt, um irgendwelche Zeitgruppen zu erreichen, sich nach einem Lauf aber schlecht fühlt und schließlich die Freude daran verliert, dann ist das auch nicht Sinn der Sache. Außerdem hat jeder seine eigene Backstory. Ich werde nach meiner Knieverletzung wohl nie mehr einen Marathon in 3 Stunden 30 laufen können. Ich bin einfach froh, dass ich überhaupt wieder laufen kann.“

Die Sportlerin liebt die Outdoor-Trainings: Ob Snowboarden im Winter oder im Sommer Trailrunning in den Bergen.
Foto: Matt Lennon
Pläne für die Zukunft.
Eben noch von L.A. nach Vegas gelaufen, Ende April ein Rennen in den Bergen Madeiras, dann Österreich, Frankreich, London. „Die nächsten Monate werde ich viel unterwegs sein. Aber sonst plane ich eigentlich nicht viel im Voraus. Mein Chile-Aufenthalt im letzten Jahr war zum Beispiel gar nicht geplant. Anfang des Jahres wusste ich noch nicht, welche Rennen mich eigentlich reizen, und schon jetzt ist plötzlich mein ganzer Terminkalender voll damit. Irgendwie ergibt sich das dann immer … Was ich für mich gelernt habe: Einfach öfter mal spontan zu Dingen ja zu sagen, über die man vielleicht sonst tagelang nachdenken würde. Ab und zu braucht es Spontanität und den Sprung ins kalte Wasser, denn was kann schon schiefgehen? Freunde fragen mich manchmal: ‚Agi, Dir passieren immer so coole Sachen. Wie kommt das alles in dein Leben?‘ Ich habe keine wirkliche Antwort darauf. Aber ich glaube, weil ich eben nicht plane, sondern flexibel bin und mir Handlungsspielraum bewahre. So können Möglichkeiten auf mich zukommen. Vielleicht kommt morgen jemand mit einem coolen Projekt?“ Ihre einstige Heimat, die Oberpfalz, besucht sie inzwischen nur noch ein bis zweimal im Jahr. „Öfter schaffe ich es einfach nicht.“ Über die Frage, ob sie heute das Leben führt, von dem sie damals als Kind geträumt hat, denkt Agnes Christine Fischer ein paar Nanosekunden nach: „Hm. Das hat mich, glaube ich, noch nie jemand gefragt …“ Und stellt dann fest: „Ja! Wenn ich jetzt so darüber nachdenke … Ja, das tue ich!“