4. Dezember 2024

Schnurrrrstracks ins Herz

Über die Liebe zu den samtigen Pfoten und einem Wettlauf gegen die Zeit

Lesezeit: 8 Min.

von Sabine Fuchs

Es sind ein paar Jahre vergangen, seit die damals zwölfjährige Anna Maria mit dem Fahrrad die Bauernhöfe der Nachbarsdörfer abklappert und dort nach jungen Katzen sucht. Die als Mäusejäger auf den Höfen geduldeten Tiere vermehren sich dort rasant – nicht selten entsteht daraus ein unerwünschtes Zuviel an Nachkommen. „Die habe ich dann auf andere Höfe vermittelt, bevor sie jemand ‚um die Ecke bringen´ konnte“, erinnert sich die Tierschützerin mit einem Sieger-Lächeln. Als die Kinder aus dem Haus sind, wird ihr beherzter Einsatz zum Wohle der Streuner zum Mittelpunkt ihres Lebens.

Das weitläufige, gepflegte Grundstück der Pinzls ist ein kleines Katzenparadies. Seelig zwischen Blumenkübeln flanierend, von der Gartenbank aus das Geschehen beobachtend, ein Nickerchen auf der Terrasse haltend: Überall entdeckt man Samtpfoten, die sich in genießerischer Katzenmanier an ein paar Sonnenstrahlen erfreuen.

„Das sind unvermittelbare Katzen, die bei mir ein festes Zuhause gefunden haben. Senioren oder chronisch Kranke“, erklärt Anna Maria Pinzl. Geht ein Tier über die Regenbogenbrücke, rückt ein Artgenosse nach, der hier einen schönen Lebensabend verbringen darf.

Die engagierte Tierschützerin führt ein Leben für die Katz. Genau genommen: für sehr viele davon. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Streunern ein besseres Leben zu schenken. Nachdem sie ihre Katzenhilfe jahrelang privat betreibt, gründet sie schließlich mit Katzenhilfe Vilstal e.V. einen Verein. Das ganze Jahr über ist sie mit mehreren Helfern im Einsatz, um freilebende Hauskatzen einzufangen, sie medizinisch zu versorgen und kastrieren zu lassen. Achtsam werden kranke Fundtiere gepeppelt und ausgesetzte Kitten, die ohne Mutterkatze nicht überlebensfähig wären, liebevoll mit dem Fläschchen aufgezogen. Die zahmen Schmusetiger vermittelt die Vilstalerin in gute Hände – selbstverständlich geimpft, gechipt und mit Schutzvertrag. 


Im Wohnhaus, seinen Nebengebäuden und dem großen Freigehege nebenan sind aktuell 20 adulte Katzen und etwa 20 Katzenkinder untergebracht, die zur Vermittlung stehen oder sich gerade von einer Kastration erholen. Darunter auch einige wilde Freigänger, die nach der OP wieder in die Freiheit entlassen werden – sofern sichergestellt ist, dass sie mit Futter versorgt sind. „Bei mir werden die Tiere aber meist sehr schnell zahm und können danach in ein gutes Zuhause adoptiert werden. Ein klassisches Tierheim hätte mit den Wildfängen ein Problem“, unterstreicht Frau Pinzl die Haltungsbedingungen in verkehrsruhiger Lage. „Scheue Katzen, die sich noch nicht anfassen lassen wollen, sind für Tierheime schwer zu vermitteln.“

ENGAGIERT:

 Anna Maria Pinzls Tag beginnt um 4.30 Uhr. Bevor sich die Frühaufsteherin gegen 6.30 Uhr ins Auto setzt und auf den Weg in die Arbeit begibt, müssen die Tiere versorgt sein. „Die Zeit reicht nur für das Nötigste“, schildert sie den Ablauf. Futter ausgeben, Katzenklos reinigen, Trinkwasser wechseln, schnell den Boden wischen. Für Schmuseeinheiten bleibt dabei wenig Zeit. Es ist Nachmittag, 15 Uhr. Auf dem Nachhauseweg holt sie oft noch eine Katze vom Tierarzt ab, die tagsüber dort behandelt wurde. Dann geht es wieder zu den aktuell 60 Schützlingen, die Pflegestellen inbegriffen.

Und auch sonst gibt es viel zu tun: Regelmäßig fährt sie die umliegenden Futterstellen des Vereins ab und versorgt diese mit Nachschub: „Wir haben zum Glück ein gutes Netzwerk und viele ehrenamtliche Helfer, die in ländlichen Gegenden herrenlose Katzen füttern. Der Verein unterstützt sie mit Tiernahrung für insgesamt etwa 40 bis 50 Samtpfoten.“ Als ausgebildete Buchhalterin erledigt sie zudem noch die Buchhaltung des Vereins. Zusätzlich werden mit Landwirten und Anwohnern Informationsgespräche geführt, um sie

von Kastrationsprojekten zu überzeugen. Die Tiere sind auf den Höfen der Region zu Hause und werden gefüttert, jedoch nicht in allen Fällen tierärztlich versorgt. Krankheiten breiten sich bei überbordender Katzenpopulation unter den ungeimpften Tieren rasend schnell aus. Letztes Jahr bittet sie ein Hof aus dem Landkreis um Hilfe, die jedoch zu spät kommt. „Auf dem Gelände hielten sich 38 Katzen auf, als die Katzenseuche ausbrach. Es überlebten sieben.“ (Panleukopenie, auch als „Katzenseuche“ bezeichnet, ist eine häufig tödlich verlaufende, virusbedingte Katzenkrankheit.)

„Man trifft nicht immer auf Verständnis, wenn man zur Kastration ermahnt“, führt die Vereinsgründerin aus. „Die jungen Katzen suchen sich dann schon einen neuen Lebensraum, da muss man nicht eingreifen“, gibt sie die Antworten wieder. Oder: „Was kümmern mich zu viele Würfe anderer Leute Katzen. Ich habe nur Kater.“ Dass gerade freilaufende, unkastrierte Kater ursächlich zur Vermehrung beitragen, wird nicht wahrgenommen.

Keiner ihrer durchgetakteten Tage endet vor 22 Uhr. „Selbst um diese Zeit klingelt manchmal noch das Telefon“, plaudert sie aus dem Nähkästchen. „Frau Pinzl, können Sie bitte gleich noch vorbeikommen. Am Straßenrand wurde eine verletzte Katze gesichtet.“ Zu viel verlangt? „Die Leute glauben, das ist mein Job, für den ich bezahlt werde“, erklärt sie schmunzelnd und mit einem Schulterzucken. Auch herrsche der Irrglaube, der Verein würde vom Tierheim, den Gemeinden oder dem Landkreis unterstütz werden. „Schön wär´s.“ Gerecht verteilt werden die Gelder in Frau Pinzls Augen nicht immer: „Tierheime erhalten zum Beispiel eine Fundtierpauschale für aufgegriffene Tiere – wir leider nicht.“ Katzenhilfe Vilstal e.V. finanziert sich zu 100 Prozent durch ehrenamtliche Leistungen, Geld- und Sachspenden. Und auch sonst ist man kreativ, um die strapazierte Vereinskasse aufzubessern: Auf Christkindlsmärkten und Marktfesten verkaufen Mitglieder regelmäßig selbstgemachte Handarbeiten.

KASTRIEREN, STATT WEGSEHEN:

Es ist nicht durchdacht, Katzen in Folge gebären zu lassen, um Kastrationskosten zu umgehen, aber den kleinen Lebewesen keinen Platz anbieten zu können. So erging es vor wenigen Wochen einem Wurf niedlicher Kätzchen, die alleine im Wald aufgefunden wurden. Ausgesetzt.

Rechenbeispiel:

Katzen müssen rechtzeitig kastriert werden, da sie bereits mit einem halben Jahr geschlechtsreif sind. Wie sehr eine Katzenmutter leidet, nachdem sie ihre Babys verloren hat, beobachtet Anna Maria Pinzl oft: „Vor einiger Zeit hatte ich eine sehr junge hochtragende Kätzin von einem der umliegenden Bauernhöfe hier. Sie war klein und schwach fast selbst noch ein Kätzchen – erst etwa sechs Monate alt. Ich habe sie aufgenommen, damit sie hier bei mir ihre Babys bekommen kann. Während der Geburt gab es Komplikationen“, erzählt Anna Maria Pinzl betroffen. „Schon das erste Kitten blieb stecken. Ich bin sofort mit ihr zum Tierarzt gefahren. In einer Not-OP wurden der zierlichen Katze ihre beiden, inzwischen toten Babys, aus dem Körper geholt. „Die Katze war danach psychisch krank vor Trauer“, erzählt die Tierschützerin. „Sie hat tagelang keine Nahrung zu sich genommen, nach ihren Babys gesucht und war völlig apathisch. Auch Tiere haben Gefühle. Und Muttergefühle sind sehr stark.“

Im Hause Pinzl werden aktuell 20 Kitten versorgt. Private Pflegestellen helfen zehn weiteren zu einem guten Start in ein schönes Katzenleben. „Wir freuen uns mit jedem Kätzchen, das durch unsere Vermittlung ein schönes Zuhause findet“, sagt die Katzenliebhaberin. „Aber das allein löst nicht das zugrunde liegende Problem. Ein niedliches Kitten berührt recht schnell das Herz tierlieber Menschen. Aber was wird aus den vielen erwachsenen, heimatlosen Katzen vor unseren Haustüren? Die will niemand. Die Katzen vermehren sich weiter, oft unter schlechten Bedingungen. Frieren im Winter, hungern, sind Revierkämpfen mit anderen Streunern ausgesetzt, haben bis zu drei Würfe im Jahr, die sie unter denkbar schlechten Bedingungen versorgen müssen.“

Im Schnitt nimmt der Verein pro Jahr 160 Katzen in die Vermittlung auf. Dazu kommen noch die aufgenommenen Fundtiere – dieses Jahr sind es bereits 60. Einige Abgabetiere kommen noch hinzu. Im Urlaub verreisen? Unmöglich für die engagierte Tierschützerin. Fast ihre komplette Freizeit widmet sie den Fellnasen und der Aufklärungsarbeit rund um ihr Herzensthema Kastration als Lösung von unnötigem Tierleid. Träume für die Zukunft? „Ein Gnadenhof für Tiere. Für alle Tiere. Auch mit Hunden – und Esel mag ich auch …“, sinniert sie und lacht: „Zeit zum Krankwerden habe ich nicht!“

Spenden unter: Paypal-Konto: anna.katzen@gmx.de
Bankverbindung: Raiffeisenbank Unteres Vilstal / IBAN: DE77 7606 9611 0000 0072 26 / Facebook

Bilder Katzenhilfe: Jo Nübler
Headerbild: shutterstock ©rai106


Erschienen in #Oberpfälzerin, November 2024
Share This